Ohne es zu wissen hörte ich schon auf Allan Holdsworths Album Metal Fatigue von 1985 völlig beeindruckt den Bassisten Gary Willis.
Etliche Jahre danach entdeckte ich ihn bewusst wieder, zusammen mit Scott Henderson in der Formation Tribal Tech. Das muss ab Anfang der 1990er Jahre gewesen sein.
Meine Aufmerksamkeit glitt mit jeder neuen CD mehr von Hendersons Spiel hin zu Willis Aktivitäten und Sound. Vielleicht, weil ich zu der Zeit selber begann mehr Bass zu spielen
und sich mein Horizont über Jaco Pastorius und Mark King hinaus öffnete. Was für manch einen recht schnell evident zu seien scheint, dauert bei mir manchmal ewig (gefühlte Zeit).
"Meine Güte", wie mein Onkel Dieter immer gerne sagt, bis ich kapiert hatte, dass der Tower of Power Bassist Francis Rocco Prestia ohne Slap und Pop aus den allerletzten Bassgurken einen super Fingerstyle-Funk hervorzaubert, das hat Jahre und viele TOP-Alben gedauert. Zum Glück gab es ja davon genügend.
4 bis 5 Jahre wird es nun her sein, da befreundet ich mich mit einem neu eingezogenen Nachbarn, dem Brasilianer Paulo. Der kaufte sich einen dämlichen schwarzen Warwick Rockbass. Ein echtes Miststück, mit dem einfach nichts anzufangen war. Und Hans-Peter Wilfer von Warwick kann froh sein, das er so etwas nicht selber spielen muss. Nun gut, die Greenhorns wachsen eben einfach so immer nach und kaufen, was die Werbung will oder ihr Portemonaie hergibt. Das kenne ich ja zu meinem Bedauern auch von mir selbst.
Paulo liebt Daria, Party und die Musik. Er begann bei mir eines Tages mehr oder weniger regelmäßig Bassunterricht zu nehmen, war neugierig und eifrig bei der Sache. Ich weiß nicht warum, über Nacht hat sich Paulo plötzlich einen Fretless-Bass besorgt. Gut, ich habe ihm den einen oder anderen Stapel CDs ausgeliehen, aber dass er mit einem Ibanez GWB35F völlig unerwartet bei mir klingelt und grinsend "guten Tag" sagt... Ich war richtig von den Socken.
Was will der denn mit einem fünfsaitigen Fretless? Der ist doch beinahe Anfänger! Der soll man schön noch eine Weile mit dem Rockbass rummachen. Nun ja, der Paulo hat ziemlich schnell einen Zugang zu dem Bundlosen gefunden und sein Spiel klang in der Tat schnell gut!
Das bessere Signature-Modell von Gary Willis soll einem EUR 2.900 aus dem Kreuz leiern. Dagegen ist die einfache Variante aus mattschwarz lackiertem Basswood (Linde statt gediegener Esche beim HiEnd-Modell) und hat Fretlines und Dots in einem Phenolgriffbrett (harter Kunststoff). Dafür sind es dann aber mit Chance auch nur noch EUR 600 bis 800, die fällig werden. Chefbassist Willis lobt die Günstig-Fünfsaiter damit, sie mögen in den richtigen Händen dem Highend Signature-Modell sehr nahe kommen.
Der Hals ist aus dreistreifigem Ahorn, die Tuners verfügen über die besonderen dreiflügeligen Knöpfe und die an das Griffbrett bis zum singulären Soapbar-Pickup (Bartolini Style, Abstand zur Brücke (A-Saite) gleich 5.5 cm) anschließende Rampe ist auch dabei. Die Brücke ist direkt von oben ohne Einfädeln zu laden und der Abstand von Saite zu Saite liegt dort bei 16.5 mm. Das ist weniger als die üblichen großzügigeren 19 mm. Hier passt das gut. Keiner wird auf dem GWB35F Slappen wollen?!
Ein doppelstöckiges Potentiometer mit Mittelraste reguliert über die aktive Elektronik (powered by 9-Volt-Block) Bässe und Höhen. Laut und leise macht ein einfaches zweites Poti.
Paulo machte noch dickere Backen als ich zuvor, als ich wiederum nicht wirklich viel später beim ihm klingelte und ihm das Unvermeidliche offenbarte: Guckst Du! Hier, ich hab auch
so'n Teil! Bass-Battle? Och nee! Verglichen haben wir die Bässe statt dessen:
Zweierlei fiel uns beiden sofort auf. Die Rampen sind unterschiedlich. Aufgrund ungenauer Werkseinstellung als auch nicht einheitlicher Stärke des Holzes haben wir die beiden in der
Höhe einstellen müssen. Das Exemplar von meinem Nachbarn hat eine Rampe, die mit Filzgleitern unterfüttert werden musste, damit wir höher kommen konnten. Schließlich ist das der Sinn der
Rampe. Die Finger sollen zwischen den Saiten nicht versinken. Bei mir mussten die Schrauben noch etwas angezogen werden, um tiefer zu kommen. Die Rampe lag erst einmal etwas höher als das
Griffbrett, sollte aber einen Hauch darunter liegen.
Wozu die Rampe? Die Idee mit der Rampe kommt wohl direkt von Gary Willis. Jetzt kann man seinen Daumen nicht nur auf der Kante des Pickups abstellen, sondern überall nach Belieben vom Pickup bis hin zum Halsansatz. Klar, wichtig ist das für eine umfassendere Klanggestaltung. Dazu kommt die Erweiterung des Vorteils, von dem man beim Anschlag über dem Pickup normalerweise auch profitiert: Die Finger werden von der Oberfläche des Tonabnehmers nach unten hin in der Tiefe "gebremst" (wenn der in der Höhe richtig justiert ist), so dass dank eines flacheren Dazwischenfassens mit den Finger flüssigeres Spiel gelingen kann. Und zwar nicht nur über dem Pickup, wie bisher ohne Rampe!
Ja und dann wurde ich leicht ärgerlich. Der Bass von Paulo war einfach lauter. Der schwarze Herold des Nörgeltons hatte einen immensen Output, den meiner in dieser Form einfach nicht brachte. Kommentar von Paulo:" Wieso, Du sachst doch imma, die Lautstärke kann man am Ämp einstellen." Na toll, danke! Du sollst mich nicht mit meinen eigenen Floskel belehren. Vielleicht liegt der gute Mann ja richtig damit. Es kann die Batterie sein, oder man hat die Elektronik "heimlich" weiter entwickelt. Ich konnte mich beruhigen, hab frische Yamaha Stainless Steel Long Scale Saiten H4050 aufgezogen, die Saitenlage justiert und die Halskrümmung für einen schnurrigen Klang eingestellt.
Auf dem Bass-Day Europe in Solingen haben mir die Jungens vom Ibanez-Stand das teure Ibanez Gary Willis GWB1005 Modell vor den Bauch geschnallt. Hal-le-lu-ja, das macht Spaß.
In Wahrheit war ich nicht viel später enttäuscht, da ich mir wesentlich mehr erträumt hatte.
Für einen Aufpreis von Minimum EUR 2.000 bekomme ich ungefähr 7% mehr Optik und gelogene 5,461% mehr Sound? Für mich reicht das einfache Modell. Wenn es nicht gut eingestellt ist, ist es sowieso kein
Vergnügen darauf zu spielen.
Einige Zeit später: Ich nehme den GWB35F mit zum Jammen (2x Hartke 3500 mit 1x15" plus 4x10" Ashdown UK) und die feinen Herren im Proberaum sind schlichtweg begeistert. Der Schlagzeuger wollte mir den Bass am liebsten gleich abkaufen. Ach, der hat gar keine Bünde? Uups.
Was ich heute nach einigen Jahren darüber so denke? Der GWB35F könnte einen etwas massiveren Hals vertragen (nicht breiter, sondern dicker). Wer damit dann den Willis kopiert, wird möglicherweise nicht mehr ganz so mit Lichtgeschwindigkeit über das Fretboard rasen. Ein Ebenholzgriffbrett ist natürlich aus verschiedenen Gründen schöner als das preisgünstige Plastik. Saiten halten auf dem Bass richtig lange frisch (geringer Höhenverlust).
Immer um die Ostertage im Frührjahr will an der Halseinstellstabschraube gedreht werden. Nach der winterlichen Heizungssaison ist der Hals nicht mehr so gerade wie zuvor pingelig genau für das Schnurren eingestellt.
Wenn man Energie in sein Spiel investiert, mit wohl dosiertem Druck in der rechten Hand arbeitet, strahlen die Flageoletts und tritt aus dem Bass auch ordentlich was Vorzeigbares zutage. Es stellt sich im Einzelfall meist immer die Frage, auf welche Klanganteile man sich konzentriert. Oft macht es erst die Kombination mit den richtigen Saiten, dem passenden Verstärker (inklusive Boxen) oder dessen sinnvoller Einstellung. Alles in allem: Gutes Teil.
Update Zwanzigfünfzehn
Willkommen zu einem kleinen Update. Der Bass ist vom April 2005 (Aufkleber in der Halstasche) und nun mal genau 10 Jahre alt - Glückwunsch! Abgesehen von seinem Jubiläum war es an der Zeit, einige Dinge zu renovieren und zu verbessern. Eine kleine hubbelige Unregelmäßigkeit im Griffbrett sollte endlich ausgebügelt werden. Das war Grund genug einen Geigenbauer aufzusuchen, um das Griffbrett vom selbigen zu befreien und dabei gleich die üblichen Spielspuren zu entfernen.
Die Saiten kommen herunter und der Halsstab wird so eingestellt (gelöst), dass sich der Hals möglichst eben ausrichten lässt. Das wird beispielsweise mit einem langen Stahllineal überprüft. Wenn das erreicht ist, geht es mit dem Schliff/Hobel los. Ob nun Ebenholz, Palisander oder unser Ebonol (Papier mit Phenolharz): Hier wird vorsichtig Material abgetragen, bis sich die Oberfläche vollkommen plan darstellt. Unter Umständen ist hier weniger mehr, da der Hals sowieso ohnehin eher über ein dünnes Profil verfügt.
Ist das erledigt, drückt man dem Geigenbauer 30 Euro in seine fachmännische Hand, freut sich und zieht seines Weges. Jetzt hat man allerdings selbst noch einiges zu tun, weil eine spielbare Saitenlage nicht mehr vorhanden ist. Mein Kumpel Dieter hätte zu seiner Zeit einmal laut "verfickte Scheiße" gebrüllt, weil er ja nach seiner Sicht der Dinge jetzt ein Problem hat beheben lassen, um eines neues zu bekommen. Soweit muss man aber nicht gehen, wenn man keine falschen Vorstellungen mit sich herumschleppt oder sich mit etwas Ruhe dann eventuell selbst um die Sache kümmert und sich gegebenenfalls dazu schlau macht.
Wenn schon, denn schon. Ist die Saitenlage futsch, kann man sich gleich noch um den richtigen Druck der Saiten über die Brücke kümmern. Wollen wir dafür die Madenschrauben der Einzelreiter noch höher - als eigentlich nötig - drehen, damit wir einen steileren Winkel erreichen, liegen die Saiten über dem Griffbrett am Ende für den schnurrigen Fretless-Sound zu hoch. Um Abhilfe zu schaffen, erhöhen wir also gleichzeitig den Halswinkel in der Halstasche indem wir diese leicht am Korpusanschlag unterfüttern. Zuerst haben wir es mit vier dünnen zarten Streifchen Schmirgelpapier übereinander (ca. 1,5 mm) versucht, reduzierten das dann aber schnell auf drei.
Ach ja, für die, die sich noch nicht durch alle Berichte durchgearbeitet haben. Mehr Druck der Saiten über die Brücke sorgt dafür, dass die beweglichen Teile für die verschiedenen Einstellungmöglichkeiten besser zusammengepresst werden. So geht weniger Schwingungsenergie an dieser Stelle verloren. Welcher Winkel der richtige ist, wird meist dogmatisch verfochten. Besser einfach selbst probieren, was passt. Das schärft die eigene Wahrnehmung und erspart uneffektive "Reibungsverluste". Nee, ist klar. Rechthaberei kann auch Spaß machen ...
Jetzt wo alles prima ist, sollte die Rampe und der Pickup auch noch in der Höhe nachjustiert werden. Möglicherweise bekommt man den Pickup nicht höher, weil das Moosgummi nicht genug Druck von unten aufbaut. Also den Pickup rausschrauben, um weiteres Futter in die Fräsung hinein zu praktizieren. Schön, wenn die Schrauben wenigstens lang genug sind, um noch genügend Halt zu bieten. Mit der Rampe kann es einem naheliegenderweise ähnlich gehen. Tja, das am Rande alles mal zum 10-jährigem. Auf die nächsten 10 Jahre!