Der Klassiker schlechthin. Leo Fenders 1952er Telecaster Reissue aus der American Vintage Serie (AVRI). Die wird dann laut Hersteller- angaben so hergestellt, wie die alten Modelle von vor 62 Jahren. Na gut, altes abgelagertes Holz von 1952 haben sie hierfür nicht verwendet. Davon wird es auch nicht mehr allzuviel auf Lager geben. Der zweiteilige Body wird aus ausgesuchter Esche hergestellt, der einteilige Ahornhals mit dem typischen U-Profil versehen. Was schnell die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die tolle halbtransparente Nitrocellulose-Lackierung.
Okay, soweit das zunächst an Offensichtlichem. Nach dem Erstkontakt mit dieser wunderschönen Gitarre stellt sich so etwas wie Ernüchterung ein. Klingt ganz gut, ist einigermaßen passabel eingestellt und steht Fender drauf. Für ein Halleluja aus voller Brust reicht das ja schon bei den meisten Käufern - uuups.
Nur noch wenige Tele-Spieler wollen genau das so haben: Standard Vintage Wiring. So wundert es kaum, dass die originale Schaltung kurzer- hand aktualisiert wird. Der Schaltplan mit dem passenden Kondensatoren ist gleich von Haus aus mit dabei. So wird das hübsche Hühnchen erstmal gerupft: Alle Drähte werden vom Schalter entfernt. Der Soldersucker kommt auch endlich wieder zum Einsatz. "Neck Pickup with rolled off highs" ist für kaum jemanden noch interessant. Dann bitte sehr gern beide Pickups zusammen - yeah!
Die Löcher zur Befestigung der Kontrollplatte sind doch wohl etwas sehr rustikal ausgefallen. Und einmal Pusten, um den Holzstaub zu entfernen ist auch nicht drin - empörend. Naja, die Gitarre kostet ja nur knapp 2.000 Euros und wer nicht anders kann und unbedingt Vintage will, muss damit halt leben und wird es vermutlich auch sehr gut können. Abschirmung naturgemäß Fehlanzeige. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Potis nicht gerade sahnig laufen, obwohl sie nicht aufliegen oder sonstwo dran schubbern. Nimmt man es genau, fällt auch auf, dass die Mechaniken nicht wirklich gerade "in line" montiert sind. Ist ja klar, das gehört alles zum Vintage-Flair. Früher hatten die in der Montage wie heute eben auch keine Zeit für solchen Detailkram.
Der Konzern und die Investoren wollen Shareholder-Value und Kunden sind grundsätzlich dumm? Autsch, das war wohl eine Schippe zu viel des Guten. Wir befinden uns mit der American Vintage Serie im Bereich der eigenen Nachahmung (Fender kopiert Fender) und dem Appell an die nostalgische Ader, voll auf der emontionalen Schiene. Nee, die ist schon so gemacht, wie das damals war, als es noch die echt geilen Gitarren gab - lol. Originale von damals sind ja kaum bezahlbar und in der Stückzahl sehr limitiert.
Wir sind ja hier auf der E-Saite.de und nicht im Museum. Von daher ist durchaus zu erwarten, dass die Intonation des Geräts angemessen einstellbar ist, um den verwöhnten Ohren nicht zuviel unnötige Dissonanz zuzumuten. Leute, die Pedal Steel Licks als geübte Country-Berger zelebrieren, wird das nicht unbedingt störend auffallen.
Allparts liefert wie viele andere auch die Tilt Compensated Tele Bridge Saddles. Die Schrauben der Originale sind dicker als die von Allparts. Die Original-Barrels sind unten abgeflacht, während die neuen Doppel-Reiter komplett rund sind. Auch sind Unterschiede auf der Unterseite der Madenschrauben erkennbar. In der Mitte unten rechts das Originalteil. Unten rechts im Bild auf der linken Seite wieder das O-Teil.
Ja, da sind sie wieder: D'Addario-Seiten (doch besser mit "ai"). Etwas spröde und nicht so flexibel in der Bespielbarkeit, dafür aber durchsetzungsfähig und in der Bridge-Position traditionell eierschneidermäßig leicht schrill. Hier also bei Bedarf etwas das Volumen zurückdrehen. Bei uns sind DR Strings oft die erste Wahl. Jetzt in der Pure Blues Variante als reine Nickelsaiten.
Die fühlen sich besser an, sind sehr weich, voll und warm im Ton, aber lassen etwas Knack vermissen. Vielleicht probieren wir nächstes Mal die Tite-Fit Saiten von DR? Die DRs kommen mittlerweise in Plastik eingeschweißt - sehr gut. In der Vergangenheit gab es schon mal Rost auf neuen Saiten (Rockinger schickt umgehend anstandslos frischen Ersatz).
Umsponnene Saiten vor dem Kürzen abknicken, damit die Saiten nicht absterben, weil sich die Wicklungen vom runden Kern eher mal lösen. Bitte etwas mehr Wicklungen auf die Achsen drehen. Bei der dicken E-Saite sind 3 bis 4 Wicklungen für guten Druck im Sattel vorteilhaft. Bei der A- und D-Saite wären 5 und mehr Umrundungen auf den konischen Schaften zu empfehlen. Das gilt ausdrücklich nicht für Tremologitarren. Mit den Saitenreitern wird einer von mindestens drei Parametern der guten Saitenlage justiert. Dabei wird auch der Halsradius nachgebildet.
Nach dem Einstellen der Saitenlage kommt am Ende das Justieren der Tonabnehmer-Höhe dran. Hier muss dazu leider das Schlagbrett herunter genommen werden; aber das ist fix erledigt. Der Hals-PU darf noch etwas dichter an die Saiten. Beim Stegtonabnehmer ist etwas auf Abstand achten. Wurde schon angemerkt, dass der Hals an sich runter musste? Jedenfalls hier noch der Hinweis, wir haben den Hals abgeschraubt, um den Halswinkel noch etwas besser hinzubekommen.
Ist das Intrument insgesamt bereits eingestellt, kann man für das Stimmen "im laufenden Betrieb" auch ruhig günstige Clip-Tuner verwenden. Für ein vernünftiges Setup wäre ein analoges Stimmgerät mit Zeiger oder ein präzises Gerät mit Cent-Anzeige vorzuziehen.
Was jetzt kommt, ist mit Sicherheit für manchen Gitarrero ein Schlag ins Gesicht und wir dürfen wohl auch nicht auf Toleranz hoffen. Leute, die in einer humorfreien Zone leben, vielleicht meinen, früher war alles besser oder sich selbst als Zeitansager des Universums verstehen, lesen einfach nicht weiter...
Wer sich so eine Gitarre kauft, bekommt ein gutes Instrument in die Hände, das den Vintage-Hype anständig bedienen kann. Nicht jeder wird damit wie Danny Gatton, Johnny Hiland, Albert Lee oder Gregor Hilden klingen (Roy Buchanan, Albert Collins und der frühe Steve Morse sollen an dieser Stelle nicht vergessen werden). Das dürfte aber wohl vorher schon klar gewesen sein. Die Verarbeitung und Einstellung ist, was einige Punkte angeht, eindeutig nicht im Highend-Bereich angesiedelt, aber vielleicht tröstet es den einen oder anderen: Die Gitarre kostet ja auch keine $ 5.000. Wer übrigens zu dieser Gitarre einige Maße und Werte sucht findet sie hier in der Gegenüberstellung zur PRS Johnnny Hiland Signature.
Nun mal Butter bei die Fische. Wer sich eine Telestyle-Gitarre selber aus Teilen zusammen bastelt und das Projekt nicht über Nacht aus dem Boden stampfen muss, kann sich die Teile dafür für 400 bis 500 Euros zusammen kaufen. Wir haben so ein Projekt bereits vorgestellt. Im Vergleich zu der Fender Tele AVRI 52 ist das vielleicht nur ein Viertel des Kaufpreises.
Was dann dabei mit etwas Erfahrung und klaren Vorstellungen herauskommt heißt dann zwar nicht Fender,
aber klingt mit vergleichsweise leicht erhöhtem Output genauso gut. Es ist eigentlich die gleiche Sorte Pickups,
nur die Brücke ist von Joe Barden. Der Gleichstand stellte sich allerdings erst mit dem 3. Hals ein!
Wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit und verbleiben gut gelaunt bis zum nächsten Mal hier auf der ESaite.de ;-)
Nachschlag: Große Begeistung über den Klang stellte sich ja zunächst nicht wirklich ein. Man muss sich schon etwas Ruhe & Zeit für die Ein- stellung der Höhe der Pickups nehmen. Hauptsächlich der Halstonabnehmer benötigt Feingefühl, damit er direkt und schmatzig rüberkommt, ohne dass die Basssaiten vom Magnetfeld eingefangen werden und unsauber werden. Dabei immer auch die Mittelstellung der Pickups im Blick und Ohr behalten.
Im Vergleich zur G&L Tribute Bluesboy ist sie deutlich leiser. Das unterschiedliche Magnetmaterial ist nach einer Weile im Klang feststellbar,
macht aber keine Riesendifferenz aus, kann aber für den einen oder anderen Spezi nicht unwichtig sein. Bis auf den Humbuckersound in der
G&L BB sind die beiden aber nah beieinander, so dass auch Fortgeschrittene eigentlich nur über Optik und Preis nachdenken werden.
Fazit: Wohl oder Wehe entscheiden sich an einer gut gemachten Einstellung der Pickups. Ich bin jetzt jedenfalls mit der teuren Tele
auch recht zufrieden.
PS: Nachdem uns der Hals von der Tele Deluxe so gut gefallen hat (s.u.), kam der Gedanke, so einen Hals für die AVRI 52 zu besorgen. Als nun ein vergleichbares Exemplar eintraf, plagten uns so einige Überlegungen und wir haben den originalen Hals erneut abgebaut. Allerdings dann nicht um ihn zu tauschen. Wir haben uns erneut ausgiebig mit Halswinkel und Durchbiegung beschäftigt. Im Uhrzeigersinn wurde der Trussrod auf Anschlag gebracht und die Steilheit noch etwas mit einem weiteren Shim erhöht. Nachdem die Saitenreiter dazu nach oben angepasst wurden, ergab sich endlich das gesuchte Spielgefühl. Statt neukaufen also lieber einige Stunden Justierung einplanen. Viele haben aber nicht die Zeit oder die Kenntnisse. Was tun? Wir können das für Euch erledigen.
Fender American Telecaster Deluxe
Moderne versus Vintage Reissue Tele. Vieles steht und fällt mit der Erwartungshaltung. Das kann ja nichts sein oder klar, das ist ja der Hammer. Vordergründig betrachtet von sehr ähnlicher Erscheinung. Ah, die Brücke ist anders, die Mechaniken auch. Viel mehr fällt einem auf den ersten Blick nicht unbedingt auf. Ach ja, die Gurtknöpfe sind von der Sorte mit Arrettierungsmechanismus. Das gab es 1952 noch nicht.
Nimmt man die Deluxe-Version in die Hand fühlt es sich schon deutlich anders als bei der AVRI 52 an. Kein Wunder. Mit satten 400 Gramm Zusatzgewicht hantiert es sich doch etwas schwerfälliger? Wir liegen jetzt bei rund 3,93 kg, die sich aber im üblichen Rahmen halten. Die Greifhand merkt sofort, dass der Hals ein andersartiges Format bereitstellt. Dazu schmücken Perloid-Dots an vertrauter Stelle das Griffbrett zwischen den Jumbo-Frets.
Ein wenig überraschend wirkt die Interaktion ohne Anschluss an einen Verstärker. Dynamik und Resonanz sind von großer Ähnlichkeit, was für die Holzqualität und saubere Verarbeitung spricht. Jeweils ein selektierter zweiteiliger Esche-Body mit durchscheinender Butterscotch-Lackierung prägt in Verbindung mit dem einteiligen Ahorn-Hals das klangliche Geschehen.
Eine Halswinkeleinstellung ist dank Tilt-Neck-Vorrichtung einfach vorzunehmen. Befestigungsschrauben lockern, mit Inbus-Schlüssel den Winkel korrigieren und die vier Schrauben wieder festdrehen - fertig. Kurze Tuner-Achsen für die Saiten D bis e erhöhen den Druck im Sattel. Ein klassischer Stringtree für H und e ist trotzdem noch montiert. Ein nachträgliches Staggering für D- und G-Saite kann entfallen. Das ist ein kleiner zweiter praktischer Vorteil bei der Deluxe gegenüber der AVRI 52. Nummer Drei der Goodies wäre die moderne Brücke mit Einzelreitern, die für eine genauere Intonation sorgen kann, wenn man sich dann um die Einstellung überhaupt mal kümmert.
Klebereste von unliebsam gewordenen Stickern bekommt halbwegs fix mit Öl und Küchenrolle wieder vom Schlagbrett runtergerubbelt. Die Deluxe kam mit Samarium Cobalt Noiseless (SCN) Pickups, die Spezialist Bill Lawrence dereinst für Fender entwickelte. Weiter und weicher sollte das Magnetfeld werden. Das in immer gleicher hoher Qualität. Statt Vulkanfiber wurde als Spulenkörper für den Brückentonabnehmer aber plastikartiges Material verwendet. Das macht zunächst bei Kennern nicht einen so guten Eindruck und erinnert an die Pickups aus der Roadworn-Serie, die zwar klingen können, aber eher fragil und optisch billig wirken.
Die Bespielbarkeit lässt zu wünschen übrig. Die Halsdurchbiegung wird verflacht, der Hals also noch gefühlvoll begradigt. Jetzt ist es viel besser. Feinheiten können zusätzlich - Saite für Saite - durch die Höheneinstellung der Blöckchen optimiert werden. Ein zöllischer Inbus vorausgesetzt.
Der Saitenverlauf über den Hals und Sattel ist einwandfrei und nicht zu beanstanden. Nicht erwartet hatten wir allerdings, dass das Stringspacing an der Brücke mit 52,5 mm schmaler als bei der AVRI mit 54 mm ausfällt. Am Sattel dagegen finden wir einen Zuwachs an der Breite von rund einem halben Millimeter. Am 12. Bund sieht es aber dann bei beiden Kandidaten nahezu identisch aus.
Die Dicke der Hälse unterscheidet sich im Detailbereich sowohl oben als auch unten. Die Deluxe startet am 1. Bund mit 22,7 mm (AVRI 22,4 mm) und kommt am 12. Bund auf 24,2 mm (AVRI 24,5 mm), was aber mit Abstand betrachtet fast irrelevant erscheint. Für das unterschiedliche Spielgefühl sind aber wohl das Halsrückseiten-D-Profil im Unterschied zum urtypischen "U", der flachere Griffbrett-Radius und die breiten hohen Bundstäbchen verantwortlich.
Wenn sich auch die Brücken in verschiedener Hinsicht unterscheiden, die Saiten laufen durch den Korpus und werden daher von hinten durch die Brücke eingefädelt. Sonst ist es auch irgendwie keine richtige Telecaster. Die Pickups der AVRI 52 müssten AlNiCo 3 Magneten besitzen und zumindest fast identische KOhm-Werte um die 7. Die verhältnismäßig modernen SCN PUs sind beide bei rund 11 KOhm angesiedelt. In der Tat ist die Deluxe Tele am Verstärker deutlich lauter. Tja, so langsam kommen wir hier heute zum Ende unserer Ausführungen.
Vom gitarrenbau-technischen Standpunkt liegt die Deluxe mit ihren modernen Features ein gutes Stück vor der AVRI 52. Dass sie am Amp mehr Output zeigt, muss ja nicht unbedingt immer als ein Vorteil oder ein Qualitätskriterium gewertet werden. Der zeitgemäß formatierte Hals spielt sich ausgezeichnet und bietet jedweder Stilistik beste Voraussetzungen für eine barrierefreie Umsetzung. Ob man jetzt an den SCN Pickups rumnörgeln sollte, ziehe ich persönlich in Zweifel. Wer die Höhe gut einstellt, wird wie meistens seinen Sweetspot finden und eher mit der Saitenauswahl etwas Zeit verbringen, um das Optimum herauszukitzeln. Die S1-Schaltung bringt in der Mittelstellung noch einmal zusätzlich Power und wird über einen versenkten Druckknopf im Volumenpoti angesteuert. Sowas gab es beim Texas-Special-Set mit dem Vier-Weg-Schalter meines Erachtens auch schon einmal.
Beide Gitarren haben ihre Reize, basieren auf einer traditionellen hochwertigen ansprechenden Plattform, die bei der Fender American Deluxe in gewisser Hinsicht perfektioniert wurde (Supergutes Sustain) und sich vielleicht eher an jüngere Spieler wendet. Die historisch verortbaren Maleschen der Reissue gehören nun mal selbstredend einfach zu ihr und sind als State of Imperfection für viele Liebhaber unabdingbar mit (echtem, quasi historisch korrektem vintage) Telesound verbunden. Stellte sich wieder die Frage: Welche von beiden darf es sein? Wäre die Antwort auch hier: Beide oder keine. Höre ich da "Ich könnt kotzen"?
Wer sinnvolle preiswertere Alternativen sucht, kommt mit der Roadworn oder Baja ganz dicht dran und wird es nicht bereuen. Vielleicht ist dann auch noch Kohle für einen guten Röhrenverstärker drin. Wen es dann immer noch juckt, probiert ein anderes Pickup-Set aus. Das Angebot auf dem Markt ist ja was das betrifft weitläufig bzw. üppig, aber leider meist hochpreisig positioniert. Immer dran denken: Es ist immer die gesamte Kette vom Spieler bis zum Lautsprecher, die über das Ergebnis entscheidet. Das wird nicht gern gehört, weil es halt Mühe macht. Die beste Saitenlage nützt nichts, wenn der Kollege auf dem Sofa liegt und im Halbdelirium vor sich hingniedelt: Hörma, das scheppert doch. Ja, so kann ich auch spielen - muss ich aber nicht. Man sieht also oft, nicht im jedem Fall muss man sich so viel Mühe machen, da es nicht jeder zu schätzen weiß und unter Umständen mit sehr viel weniger glücklich sein kann. Das ist okay.