Esaite-Berichte: MUSIC MAN Sterling Bässe
Für mich optisch fast unwiderstehlich. Der Bass musste einfach her. Neu meist für EUR 2.600 angeboten, im Summer Sale für EUR 1.999 oder
noch weit darunter, wenn der bisherige Besitzer genügend andere von der Sorte da hat. Das gute Stück kam quasi aus der Vitrine und hatte
vielleicht nur 3 Spielstunden auf dem makellosen Buckel (new old stock).
Die Saitenlage war dann mal nicht so toll eingestellt (Herstellerauslieferungszustand) und das Glitzerteil spielte sich überhaupt nicht locker.
Vermutlich war das wohl auch der Verkaufsgrund. Die originale Ernie Ball - Besaitung (Regular Slinky 45-105) war zudem viel zu weich und sollte
dadurch der schlechten Saitenlage entgegenwirken. Für diesen Bass unbrauchbar. Jetzt aber erstmal den Halswinkel nachkorrigieren...also den Hals herunternehmen.
Der erste Saitenwechsel auf Warwick Black Label brachte das reine Gegenteil: Dieser Bass reagierte mit harschen unfreundlichen Klängen, was
u.a. auch seinem nicht eingespielten Zustand geschuldet sein kann. Der zweite Wechsel der Saiten auf Dunlop Stainless Steel brachte dann endlich
ein erfreuliches Ergebnis. Jetzt passten Holz und Hardware in Klangbildung und Spielgefühl am ehesten zusammen.
Oben in der Mitte die Saitenlage vor Halswinkelkorrektur. Rechts sieht es danach besser aus. Unten mittig ein etwas steilerer Winkel der Saiten
über die Einzelreiter der Brücke nach Erhöhung des Halswinkels. Mehr Druck kann das Sustain und die Stabilität des Klanges verbessern.
Bei Music Man wissen die Mitarbeiter auch schon Bescheid: Immer an den Unterleger in der Halstasche denken, weil es direkt aus der Fräse
dann leider doch nur selten gleich richtig passt. Hier haben wir trotzdem noch nachfüttern müssen. Okay, für ihren Bass prügelnde Grobiane
hat es vielleicht schon vorher gepasst und für die Vitrine ist es nun wirklich egal. Beim Gewicht von 4,52 Kilo gehen wir von schwerer Esche aus.
Der Body wirkt wie ein modernisierter verschlankter Stingray Bass mit eleganterer Linienführung. Beim Hals treffen wir auf ein fast schon mageres Jazz Bass Format. Halsbreite am Sattel 38,8 mm, 12. Bund dann 55,6 mm. Die Dicke des Halses stellt sich deutlich unterdurchschnittlich dar:
Am 1. Bund erreicht sie nur 20,6 mm, die zum 12. Bund auf 22,6 mm ansteigt. Ich hätte unten lieber 22 mm und oben 25 mm, wenn die Breite
ohnehin schmal ausfällt.
Sehr blöd, dass eine Pickguardschraube beim Slap-Betrieb im Weg ist, so dass der kleine Finger meist auf deren Kopf schubbert. Statt
Linsenkopf- vielleicht eine Flachkopfschraube übergangsweise nehmen. Erstaunlich dazu nach wie vor die Höhe oder Position des Saitennieder-
halters für die A- und D-Saite. Der Winkel für die E- und G-Saite fällt etwas steiler aus und könnte doch eigentlich für die mittleren Saiten gleich sein.
Hier ein Patient aus dem Jahre 1996. Er gehört einem begnadeten Berufsmusiker und Komponisten. Durch unbarmherzigen Einsatz gepaart mit fachgerechter Bier- und Schweissabsonderung hat er bei aller Liebe deutliche Spuren davongetragen. Vom Klang her bietet er hohes Niveau.
Das allerdings in Verbindung mit einer relativ beschissenen (sorry) Bespielbarkeit, was die Frage aufwirft, wie der gute Mann trotzdem so viel herausholen kann?
Neben dem Dreck und Speck ist der Saitenwinkel an der Brücke zu flach und der Pickup zu tief eingestellt. Der Pickup ist dermaßen verkleistert,
dass wegen der zu präzisen Pickguardöffnung eine Höhenverstellung erst einmal nicht möglich ist. Ähnliches gilt für den Hals, der einfach nicht
mehr aus seiner Tasche will. Für Leute mit Putzfimmel haben wir hier genau die richtige Aufgabe.
Der Sterling Bass kann über den Dreiweg-Schalter verschiedene Spulenkonfigurationen zu Gehör bringen, die durchaus achtbare Unterschiede
in der Klangübertragung ermöglichen. Keramikmagneten wurden verbaut, was nicht jedermanns Geschmack trifft. Die Modi sind seriell, parallel
und auch Singlecoil ohne Brummen dank Phantomspule. Diese würde ich eigentlich gern mal abschalten, um einen denkbaren Unterschied in der Klangübertragung auszumachen.
Zumindest der Hals ist wieder einigermaßen sauber und hautsympathisch geworden. Den String Tree senken wir übrigens etwas ab. Dann kommt
irgendwann der Besitzer und schaut sich die ganze Bescherung an. Und das ist es dann für ihn tatsächlich - wie Weihnachten mitten im Sommer.
Frische Saiten sind auch drauf: Statt Warwick Red Label jetzt mal Black Label. die etwas spritziger wirken. Okay, nennen wir es ruhig Begeisterung.
Soviel Emotion hat hier auch mal ihren Platz.
Nachspiel: Wir haken nach. Wie war es im Proberaum im musikalischen Kontext? Der Schlagzeuger beklagt zu viel Höhen und die werden entsprechend
an Ampeg SVT leicht heruntergeregelt. Einige Zeit später die Meldung, dass die Saiten schnarren. Damit ist bei einer Rekonstruktion zu rechnen, da
sich über etliche Tage erst eine neue Balance einstellen muß. In diesem Fall nur etwas die Einstellschraube für den Halsstab lösen und schon wird es wieder wie es sein soll.
Das war genauso bei dem zuerst gezeigten Dargie Delight Modell und tauchte neulich bei einem Yamaha Bass nach Neubesaitung gleichfalls auf. Da
übten frische Elixir Saiten weniger Zugkraft als die vorigen Sandberg Saiten aus. Insgesamt eine prima Aktion und alle fühlen sich danach happy.