Heute gebe ich einen kleinen Eindruck von der Warwick Corvette Standard weiter. Für mich ist es die vierte deutsche Warwick Corvette, die ich in die Finger bekomme. Die koreanische Version (Pro Series) ist ja bereits angekündigt und
im Handel mittlerweile erhältlich. Ich hatte aber noch nicht das Vergnügen und bleibe bei den deutschen Modellen aus Sumpfesche mit JJ-Bestückung, die jetzt mit Sicherheit im Listenpreis einen großen Sprung nach oben machen werden.
Rainer hatte eine Viersaitige aus zweiteiliger naturheller Sumpfesche, die er fast nie spielte, aber trotzdem nicht an mich abtreten wollte (bäh pfui). Seine Corvette hat einen super Funksound. Rainer liebt es aber eher rockig. All mein Gesäusel und Bezirzen konnte ihn aber nicht umstimmen, gegen angemessene Bezahlung, mir das schlanke Teil zu überlassen.
So schlummert seine Corvette besseren Zeiten entgegen, während Rainer seinen Noten genussvoll auf einem Fender Precision Highway One Bass abdrückt. Okay, das sei ihm gegönnt.
Nach langem Hinundher dachte ich, wie Schlagzeuger Holger es jüngst formulierte, „kamajama“ neu angehen, das Thema. Was daraus wurde, ist schnell erzählt. Es kam eine Corvette des Weges, aktiv/passiv, dieses Mal dreiteilige naturhelle Sumpfesche als Fünfsaiter. Das Gerät hatte einen Spitzenklang. Wegen des relativ engen Saitenabstandes an der Brücke, wanderte sie zu einem Matthias, der seinen Funky-Daumen da besser zwischen die Saiten bekam und aus heutiger Sicht das Schnäppchen seines Lebens machte (my loss is your gain). Ich erwarb die deutsche Corvette neu für knapp EUR 670 und baute noch die aktive MEC-Elektronik ein. Die gab es im Osten Deutschlands schon für EUR 125.
Das Gesamtpaket ging dann günstigst über den nicht vorhandenen Tresen.
Obstbauer Sönke besitzt und spielt die dritte Corvette: Sie ist rein passiv mit schwarzer Hardware, zweiteilig aus Sumpfesche gebaut und wegen der Helligkeit des Holzes an den typischen Stellen schmuddelig geworden. Sönke zaubert einen sonoren satten Rocksound aus dieser Corvette, dass es einem in schwachen Momente die Tränen in die Augen treibt. Optisch Schwächen werden durch ausgezeichneten Klang ausgeglichen, wenn man das so sagen darf. Das war der Punkt, an dem ich bedauerte, die 5-saitige Corvette „gespendet“ zu haben. Was uns aber nun zu meiner aktuellen Corvette führt.
Richtig, das ungebeizte helle Korpusholz ist schmutzanfällig. Daher halt auch die Entscheidung für einen Viersaiter mit diesem Honey-Farbton oder old violin finish. Tja, die genaue offiziöse herstellereigene Bezeichnung lässt sich gerade nicht aus den Hirnwindungen quetschen. Nun denn, man sieht es ja einigermaßen auf den Bildern. Der Body ist in Stratocaster-Manier geshaped. Für den Unterarm und die auf Diat gesetzte Wampe ist also bestens gesorgt.
Rein vom Gefühl würde ich sagen, der Hals hat Jazz Bass Maße (ich hab später nachgemessen, s.u.). Der Bursche ist allerdings aus dreiteiliger Wenge zusammen gesetzt und die abgewickelte Kopfplatte wurde mit zwei Streifen wiederum verbreitert (String Tree/Saitenniederhalter überflüssig). Unter dem Sattel findet sich eine Halsverdickung, um dieser Sollbruchstelle etwas an Solidität entgegen zu setzen. Der Hals trumpft mit sau-bequemen Dimensionen auf.
Jede Anfängerin/jeder Anfänger und Leute mit kleinen Händen werden das dankbar zur Kenntnis nehmen. Die Tuners sehen nach einer Auftragsarbeit der Firma Schaller aus. Die Wirbel strecken sich der linken Hand entgegen oder wie man auch feststellen könnte: hängen matt herunter... Ist ganz praktisch, sieht aber nicht für jeden geschmackvoll aus. Was sie aber tun ist: Sie laufen sahnig! Echte Verbesserungen in Blick auf die klassischen Fenderdesigns sind aber der höhenverstellbare Sattel nebst der Abdeckplatte für den schraubenfreien Zugang zur Halseinstellung.
Meine aktuelle Corvette läßt sich aktiv und passiv spielen. Links vorn haben wir das Volumen als Push-Pull-Schalter. Damit bestimmt man den Modus. Darauf folgt mittig der Panorama-Regler, welcher die Pickups mischt und eine Mitteraste im Angebot hat. Ein Doublestack-Poti verwaltet im Aktivmodus ganz rechts außen oben die Höhen und unten die Bässe.
Hier auch wieder für eine sichere Orientierung jeweils das Feature der Mittenraste. MEC liefert die Tonabnehmer und Elektronik. Für den passiven Modus (gezogenes Vol.-Poti) gibt es keine Klangregelung bzw. Höhenblende. Man muss folglich für einen herkömmlichen Rocksound die Brillanz von den Saiten schnell runterspielen, den Amp anders einstellen oder auf Halfrounds umsatteln.
Der Schriftzug „Dynamic Correction“ auf den Tonabnehmern wirkt für manchen einfach nur als Marketing-Geschwallere. Mit etwas Fantasie bildet sich der eine oder andere dann ein, dass möglicherweise auf mehr oder minder geheimnisvolle oder tatsächlich unspektakuläre technische Weise vielleicht ja eine Art Kompressoreigenschaft in den Pickups vorhanden ist, die eigene Schwächen in der Anschlagstechnik (Ungleichmäßigkeit) auszugleichen weiß. Aha, vielleicht ruf ich einfach mal bei MEC an und frage mal nach. Gut, im Moment ist Wochenende und keiner erreichbar, wahrscheinlich auch erstmal besser so.
Wie beschreibe ich die klangliche Wirkung der Pickups? Wie wäre es hiermit! Eine unvoreingenommene Person kann sich mit ihnen in angemessener Zeit einen zutreffenden Eindruck von den klanglichen Eigenschaften des Instrumentes verschaffen. Na gut, also anders: Ungewohnte Resonanzüberhöhungen sind nicht festzustellen. Man könnte sagen,
sie klingen ehrlich und modern mit Spritzigkeit und erfrischender Transparenz, ohne übertriebenen Hifi-Charakter.
Meine Empfehlung für die Klangreglung ist, etwas die Höhen herausnehmen und die Bässe leicht anheben. Beides
wirklich nur dezent vorgenommen.
Nochmal eben die Kilo-Ohmwerte hinterher: Bridge PU 9,38, Neck PU 9,38, beide zusammen 11,1.
Ein Jazz Bass Bridge PU von Fender kommt mit 7,5 KOhm aus. Pickups von Nordstrand, Bartolini, EMG, DiMarzio, Fender oder Seymour Duncan klingen in Nuancen anders und lassen sich aufgrund erkennbar abweichender Klang-Eigenschaften identifizieren. Ich kann aber bei den MECs keinen Grund finden, unzufrieden zu sein oder eine Tauschempfehlung abzugeben. Wer daran Freude hat, soll natürlich einen Austausch probieren.
Ich schaue mir die Brücke an. Die Verstellbarkeit ist dreidimensional mit reichlich Platz für jedwede Intonationsjustage. Der Saitenhalter ist wie bei Gibson separat. Der verlängerte Weg hinter der Brücke verbessert die Straffheit der Saiten. Vor allem bei den dickeren Kalibern mit geringerem Zug, so dass schlaffe matschige E- oder H-Saiten der Vergangenheit oder anderen Konzepten angehören.
Sowohl Brücke als auch Saitenhalter sind durch Fräsungen im Korpus ungefähr zur Hälfte versenkt. Schwingungen sollen so in den Kern der Holzes transportiert werden. Wenn man den Slogan „The Sound of Wood“ für sich beansprucht, wäre es ja auch nur angemessen, dass die produzierten Instrumente in gewisser Hinsicht diesen Anspruch klanglich widerspiegeln. Oder war damit das Knistern im Kamin gemeint (teures Feuerholz)?! Ruhig Brauner! Ich gebe es ja zu: Die Verarbeitung und Präzision der Komponenten ist ausgezeichnet. Die Qualität des Tonholzes ist im Rahmen der durch die Natur vorgegebenen Schwankungsbreite hoch. Die Behandlung im Sinne eines schonenden Trocknungsprozsses wie einer zudem klimatisierten Lagerung bereiten das geschlagene Holz sachgerecht auf seine zukünftige Verwendung vor.
Alle 4 Warwick Corvettes wiesen ein mattglänzendes Öl- und Wachsfinish auf. Wie beim häuslichen Parkett ist hier regelmäßige Pflege angezeigt. Und so findet man u.a. im User-Kit neben Werkzeug auch das passende Poliertuch zur mitgelieferten Wachsmischung. Wer hier zu großzügig mit den Pflegemitteln umgeht oder beim Polieren faul ist, wird durchaus (temporär) eine spürbare Dämpfung der Schwingungseigenschaften in Kauf nehmen müssen.
Wie schon bei der Framus Renegade Custom II E-Gitarre gezeigt, gibt es in gleicher Form auf der Rückseite des Instrumentes einen schraubenlosen Klick-Klack-Zugang (etwas empfindlich) zur Bordelektronik. Die Gegenstücke für die Straplocks sind hier aber elegant im Korpus versenkt. Wer seinen Gurt vergisst, kann keinen anderen benutzen.
Als mein gebrauchtes Exemplar ankam, war es nicht besonders gut spielbar. Etwas entnervt ahnte ich, einige Arbeit würde noch vor mir liegen. Manchmal empfindet man das als unnötig belastenden Fummelkram. An anderen Tagen fast man es als willkommene Herausforderung auf. Deshalb scheint es vorteilhaft, die eigene Verfassung zu reflektieren,
um nicht zu einer höchst situationsbezogenen (Fehl-)Einschätzung zu kommen. Das betrifft beide Richtungen: Das begeisterte Ja als auch das ablehnende Nein.
Es dauerte in diesem Fall eine beträchtliche Zeitspanne, bis ich in den Genuss einer meiner Spielweise entsprechenden Saitenlage kommen konnte. Schon möglich, dass es hier recht viele Einstellmöglichkeiten gibt. Wenn man dann nicht auf Anhieb den richtigen Ansatz findet, wird es erst einmal schlimmer.
Den in Grenzen frei definierbaren Abstand der Saiten zueinander habe ich mir an der Brücke auf 20,5 mm eingestellt. Die Corvette ist kein kantiges Brett, sondern fällt mit angenehmen Rundungen auf. Sie hängt gut am Gurt und lässt sich auch im Sitzen gut bedienen. Sie erinnert durch ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten fast schon an ein Schweizer Offiziersmesser. Mit ihrem langen dünnen oberen Horn trifft sie nicht unbedingt den geschmacklichen Mainstream.
Auch wünschen sich viele Basser eine pflegeleichte Hochglanzlackierung. Seitenmarkierungen am Hals sind meines Erachtens ausreichend. Aber insgesamt haben wir ohne Zweifel hier ein feines Stück!
Gewicht in Kilogramm ca. 4,3
Breite Sattel 38,4 mm Breite 5. Bund 46,9 mm Breite 12. Bund 55,3 mm
Stärke 1. Bund 21,2 mm Stärke 5. Bund 22,4 mm Stärke 12. Bund 23.4 mm
Besaitung Warwick Yellow Label 45-105
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